Tag des weißen Stocks

#InklusionLeben #BarrierenImAlltag

Heute ist der Tag des weißen Stocks oder Langstocks – ein Hilfsmittel, das es sehbehinderten oder blinden Menschen ermöglicht, sich selbständig und sicher durch ihre Umwelt zu bewegen. Der Langstock bietet damit Orientierungsmöglichkeit und Mobilität und ist ein wichtiges Hilfsmittel, damit sich sehbehinderte und blinde Menschen in ihrem Alltag frei bewegen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Barrieren können für Menschen mit Behinderung auf ganz unterschiedliche Art und Weise bestehen. Ob eine Seh-, Geh- oder Hörbehinderung oder andere Beeinträchtigung oder eine chronische Krankheit, je nach Person ist es unterschiedlich, welche Barrieren im Alltag bestehen und wie leicht oder schwierig es ist, diese z.B. mit Hilfsmitteln zu überwinden.

In unserem heutigen Blogpost möchten wir uns mit Barrieren im Alltag beschäftigen und speziell darauf eingehen, dass Barrierefreiheit noch viel mehr bedeutet als die Installation von Rampen und Fahrstühlen. Besonders wichtig ist es hier, vielfältige Bilder von Behinderung anzuerkennen und viele unterschiedliche Perspektiven auf Barrieren im Alltag wahrzunehmen.

Denn nur, wenn Barrierefreiheit umfangreich umgesetzt wird, kann gewährleistet werden, dass alle Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft partizipieren und sich unabhängig und frei bewegen, mitteilen und entfalten können.

Die Umsetzung von Barrierefreiheit muss dabei gut durchdacht sein, denn es gibt Barrieren, die alle Menschen mit Behinderungen betreffen – aber auch einige, die nur ein Problem für Menschen mit einer ganz bestimmten Behinderung sind.

Dies lässt sich gut am Beispiel von Barrieren zeigen, mit denen sehbehinderte und blinde Menschen im Alltag umgehen müssen.

Viele sehbehinderte und blinde Menschen nutzen im Alltag einen weißen Langstock, mit dem sie sich in ihrer Umgebung Orientierung verschaffen. Mit diesem Stock können sie z.B. das Blindenleitsystem nutzen, das über unterschiedliche weiße Erhebungen auf dem Boden durch die Umgebung führt.

Blinde und sehbehinderte Menschen sind dabei darauf angewiesen, dass die weißen Streifen und Felder mit Noppen und Rippen freigehalten werden. Das Leitsystem mit unterschiedlichen Bodenindikatoren, die einen taktilen, visuellen und akustischen Kontrast zum Bodenbelag der Umgebung haben, dient der Absenkung der Barrieren – es kann seine volle Funktion allerdings nur erfüllen, wenn es auch tatsächlich durchgängig verwendbar ist. Steht bspw. ein parkendes Auto auf der Leitstreifen oder wurde ein E-Scooter unachtsam abgestellt und versperrt den Weg, ist die blinde oder sehbehinderte Person mit diesem Hindernis konfrontiert und muss sich um das unbekannte Objekt herumbewegen. Eventuell unter dem Objekt befindliche Bodenindikatoren, die z.B. warnen oder auf etwas hinweisen sollen, können dann nicht wahrgenommen werden.  Auch Handläufe an Bahnhöfen, die dem Leitsystem dienen, sind hier häufig mit angeschlossenen Fahrrädern blockiert und erschweren das schnelle Vorankommen im Alltag.

Diese Barrieren sind selbstverständlich auch für andere Menschen mit Behinderungen ein Problem: So können auch Menschen mit Gehbehinderung oder Mobilitätseinschränkung von einem mitten auf dem Bürgersteig geparkten E-Scooter behindert sein oder müssen sich um Blumenkübel eines Restaurants herumnavigieren, wenn der Weg dadurch behindert oder deutlich verschmälert wird. Ob ein nicht vom Schnee geräumter Bürgersteig im Winter oder die langen Äste eines Baumes, die von einem Garten auf den Bürgersteig hinausragen: Sowohl blinde als auch gehbehinderte Menschen werden hier auf Hindernisse stoßen.

Menschen mit mehreren Behinderungen sind hier mehrfach durch die Barrieren eingeschränkt und können nicht auf die gleiche Weise wie alle anderen Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben.

Doch können bestimmte barrierefreie Maßnahmen für Menschen mit Gehbehinderung auch mehr Barrieren für blinde und sehbehinderte Menschen bedeuten. Denn eine abgesenkte Bordsteinkante ist für eine Person mit Rollstuhl eine hervorragende barrierefreie Einrichtung, für einen blinden Menschen kann dies jedoch bedeuten, dass die wichtige Markierung des Endes des Bürgersteigs nicht ausreichend erkannt werden kann. Hier ist also zusätzlich neben der abgesenkten Bordsteinkante auch ein Leitsystem für blinde Menschen wichtig, damit über bestimmte Maßnahmen zur Barrierefreiheit nicht wiederum andere Personen ausgeschlossen werden. Der Widerspruch lässt sich durch ein zusätzliches Hilfsmittel zur Orientierung also leicht beheben.

In unserer Gesellschaft muss Barrierefreiheit zu einer Selbstverständlichkeit werden, denn Barrieren bedeuten immer auch den Ausschluss und die Isolierung von Menschen, die das Recht darauf haben, genauso wie alle anderen am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und sich frei zu entfalten und zu bewegen.

Aktuell hat dies vor allem auch in der weiterhin aktiven COVID19-Pandemie Relevanz, denn die Aufhebung von vielen Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen hat bei vielen Menschen mit Behinderung keine Erleichterung hervorgerufen.

Für Menschen mit Behinderung und besonders auch für chronisch kranke Personen bedeutet die Aufhebung der Maßnahmen eine deutliche Einschränkung, denn um sich vor einer Corona-Infektion zu schützen, müssen sie nun viele Menschen meiden. Das Fehlen einer Maskenpflicht oder Eintrittsregelungen basierend auf Schutzimpfungen – gerade bei größeren Veranstaltungen –, sowie auch der Wegfall einer Möglichkeit im Home Office zu arbeiten, bedeutet für viele Menschen mit Behinderung und chronisch kranken Menschen somit den Aufbau von Barrieren. Mit fehlenden Corona-Beschränkungen müssen Menschen mit Behinderung bei jedem Treffen einer geliebten Person oder jeder beruflichen Verpflichtung überlegen, ob sie als Risikogruppe die hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs riskieren oder die entsprechenden Personen zum eigenen Schutz meiden.

Das freiwillige Tragen von Masken, z.B. in Supermärkten, dem Nachkommen der Auffrischungsimpfung oder der Ermöglichung von digitalen Events, Angeboten und Treffens ist somit auch eine Möglichkeit für Menschen ohne Behinderung oder chronische Krankheit, Barrieren für Menschen mit Behinderung abzubauen.

Mit diesen Beispielen sind nur einige Aspekte von Barrieren im Alltag angesprochen, die zum Nachdenken und Reflektieren anregen sollen.

Welche sonst eher wenig bedachte Barrieren im Alltag fallen Ihnen auf?

Von zu kleinem Text auf unübersichtlichen Websiten über schwierige Formulare, die komplizierte Fachwörter benutzen bis zu übereifrigen Hundefreund*innen, die Service- und Blindenhunde im Arbeitsmodus streicheln und sie damit von ihrer wichtigen Tätigkeit ablenken – Barrieren können auf ganz unterschiedliche Art und Weise auftreten und erfordern von jeder*jedem von uns Aufmerksamkeit, damit wir gemeinsam dafür sorgen können, sie abzubauen und unsere Gesellschaft inklusiver zu gestalten.

 

Tag des weißen Stocks

Meldung vom 15. Oktober 2022