Tag der älteren Generation

Wie sieht der Alltag einer älteren Person aus? Wie wirkt sich Altersdiskriminierung auf das tägliche Leben aus?

Heute am internationalen Tag der älteren Generation möchten wir einen Blick auf die Vielfaltsdimension Alter werfen und das alltägliche Leben von älteren Menschen beleuchten.

Ageismus oder die Diskriminierung von älteren Personen aufgrund der Annahme, dass sie weniger leistungsfähig sind, hat erhebliche Auswirkungen auf den Alltag von älteren Personen. Älteren Menschen werden dabei bestimmte Fähigkeiten oder Eigenschaften abgesprochen und ihre Teilhabe und Repräsentation eingeschränkt. Wie wirkt sich das konkret auf den Alltag aus?

Der Austritt aus dem Erwerbsleben bringt für viele ältere Menschen eine Veränderung mit sich. Weitere Änderungen ergeben sich aus neuen Anforderungen, die körperliche Veränderungen mit sich bringen. Besonders eine chronische Krankheit oder eine Behinderung führt häufig dazu, dass die Alltagsroutine oder sogar das Lebensumfeld verändert werden muss, wenn bspw. von Verwandten der Umzug in ein Pflegeheim verlangt wird.

Die veränderte Wahrnehmung und Diskriminierung älterer Personen führen hier häufig dazu, dass ihnen die Selbstbestimmung abgesprochen wird und sie als unmündig wahrgenommen werden bzw. über die Einrichtung eines*einer gesetzlichen Betreuer*in sogar tatsächlich rechtlich entmündigt werden.

Der Alltag von älteren Personen unterscheidet sich deshalb sehr danach, wie viel Freiheiten und Selbstbestimmung ihnen verbleiben. Verschiedene Wohnformen und Wohnkonzepte können hier einen großen Unterschied machen: ob betreutes Wohnen, eine altersgerechte Wohngemeinschaft, Leben im eigenen Zuhause oder Aufenthalt in einem Pflege- oder Wohnheim, unterschiedliche Wohnsituationen wirken sich erheblich auf die allgemeine Lebenszufriedenheit von älteren Menschen aus.

Neben der Unterkunft der älteren Person ist auch Mobilität und Barrierefreiheit ein zentrales Thema des Alltags. Von Treppen über schwere Türen bis zu kurz getakteten Ampelschaltungen gibt es zahlreiche Barrieren, die nicht nur ältere Menschen, sondern auch Menschen mit Behinderung ausgrenzen. Viele kennen so zum Beispiel das Gefühl, bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Rücksicht behandelt zu werden, wenn Busfahrer*innen nach dem Einsteigen der Fahrgäst*innen schnell anfahren und die ältere Person mit Gehbehinderung jedoch noch keinen Sitzplatz gefunden hat. Aber auch im eigenen Haushalt ist das hohe Tempo und die Ungeduld von Mitmenschen häufig Grund für Ärgernisse, wenn bspw. Paketdienste nur sehr kurz warten, bis der*die Hausbewohner*in an der Türe ist. Da ältere Menschen und Menschen mit Behinderung häufig auf Lieferdienste angewiesen sind, da sie z.B. aufgrund von fehlender Barrierefreiheit bestimmte Waren nicht vor Ort kaufen können, ist ein verpasstes Paket nicht nur ein nerviges Ärgernis, sondern eine weitere Einschränkung des Alltags.

Ausschlüsse im Alltag sind auch bei Freizeitaktivitäten ein erhebliches Problem von älteren Menschen. Das Hilfetelefon Silbernetz.org schätzt, dass etwa sieben Millionen Menschen zwischen 60 und 85 Jahren in Deutschland von Alterseinsamkeit betroffen sind. Bei manchen älteren Menschen vergehen so aufgrund von fehlenden sozialen Kontakten manchmal Wochen bis sie eine längere Unterhaltung mit einer anderen Person führen.

Dies liegt besonders auch an den fehlenden Teilhabemöglichkeiten für ältere Menschen. Ob kulturelle Veranstaltungen, die nur auf jüngere Altersgruppen ausgerichtet sind, oder verdeckte Altersgrenzen, die z.B. auch ehrenamtliche Arbeit verhindern – die abwechslungsreiche Gestaltung des Alltags von älteren Menschen wird häufig durch Altersdiskriminierung bei Freizeitangeboten verhindert. Die soziale Herkunft und Altersarmut können das Problem noch zusätzlich verstärken, da viele Freizeitaktivitäten Kosten mit sich bringen.

Selbstverständlich gehört zum Alltag von älteren Menschen auch der Medienkonsum. Die mediale Darstellung von älteren Menschen ist allerdings häufig einseitig – wenn ältere Personen überhaupt in Film und Fernsehen zu sehen sind, denn viele Programme zeigen nur jüngere Generationen und setzen Jugendlichkeit als anzustrebendes Ideal.

Vor allem ältere Frauen sind in den Medien kaum repräsentiert. Seit Jahren wird in Hollywood bemängelt, dass ältere Schauspielerinnen nur noch wenige Rollen bekommen oder sehr stereotype Figuren spielen müssen, die stets auf die Familie bezogen sind: Mutter oder Großmutter.

Im Jahr 2020 waren so laut dem jährlichen Report des Centers for the Study of Women in Television and Film der San Diego State University nur 6 % aller Figuren in Filmen ältere Frauen, die 60 Jahre oder älter waren. Neben großen Namen wie Meryl Streep, Jane Fonda oder Emma Thompson schaffen es nur wenige ältere Schauspielerinnen, große Filmrollen zu ergattern. Weibliche Charaktere in höherem Alter sind häufig Nebenrollen, die eindimensional bleiben und keine neuen Erfahrungen und Entwicklungen durchlaufen.

Auch Themen, die mit Prozessen des Alterns zu tun haben, werden medial selten thematisiert. Dies führt dazu, dass die Lebenssituationen von älteren Menschen auch von anderen Altersgruppen nicht wahrgenommen werden. Realistische Porträts und Informationen über das Leben von älteren Menschen könnten jedoch entschieden dabei helfen, stereotype Altersbilder abzubauen und Ageismus entgegenzuwirken.

Wird das Angebot an unterschiedlichen Darstellungen von älteren Menschen erhöht, kann auch die vermeintlich einheitliche Kategorie der „älteren Menschen“ in den Köpfen der Zuschauer*innen noch stärker hinterfragt werden. Die Vorstellung davon, wie „Alt sein“ aussieht, kann sich dann an die gesellschaftliche Realität und Lebenswirklichkeit der Senior*innen anpassen, schließlich entspricht nicht jeder alte Mensch gesellschaftlichen Zuschreibungen wie „langsamer“, „vergesslicher“ oder „schwächer“.

Der Blick in den Alltag von älteren Menschen zeigt, dass Altersdiskriminierung weitreichende Folgen für das Leben im Alter hat. Nur, wenn die Perspektiven von älteren Menschen ernst genommen und ihr Wissen und ihre Erfahrungen als relevant angesehen werden, können sie als wertvoller und gleichwertiger Teil unserer Gesellschaft Repräsentation und Teilhabe erfahren.

 

 

 

 


Quellen:
– Ludger Klein/Anne Stahlmann (2019): „ICH? Zu Alt?“ Diskriminierung älterer Menschen. Abschlussbericht eines Praxisforschungsprojekts. Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V.
– Kuratorium Deutsche Altershilfe (2005): Alter – kein Hinderungsgrund. Wege aus der Altersdiskriminierung. Positionspapier der Veranstaltung ‚Altersdiskriminierung – Alterspotenziale – Wie sieht der Alltag aus?‘ am 12. Dezember 2005 im Maternushaus in Köln.
– https://www.silbernetz.org/zahlen-alterseinsamkeit.html
– https://eu.usatoday.com/story/entertainment/movies/2021/04/13/women-film-study-highlights-ageism-concerns-hollywood/7201257002/
– https://www.nextavenue.org/ageism-in-hollywood-the-worst-ive-ever-seen-it/

Tag der älteren Generation

Meldung vom 1. Oktober 2022