Migrantische Bewegungen in Deutschland – Kanak Attak
Soziale Bewegungen zu Migration sind aktuell in der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft nicht so bekannt wie andere soziale Bewegungen. Sie erreichen nicht die gleiche mediale Aufmerksamkeit und werden selten in deutsche Geschichtsbücher aufgenommen.
Dennoch engagieren sich viele Migrant*innen oder Menschen mit Migrationsgeschichte seit Jahrzehnten in Deutschland für ihre Rechte und gegen rassistische Diskriminierungen.
Exemplarisch wollen wir heute Kanak Attak in den Fokus stellen. Die 1998 in Frankfurt am Main gegründete Bewegung, die sich das gleichnamige Schimpfwort aneignete und dabei Bezug zum Buch „Kanak Sprak“ von Feridun Zaimoğlu nahm, setzte sich gegen die damals herrschenden Diskurse um Integration und vermeintlichen Multikulturalismus (satirisch-kritisch als „Mültikültüralizm“ bezeichnet) ein, der weiterhin zwischen „Fremden“ und „Einheimischen“ unterschied.
Im Fokus stehen sollte die kanakische Perspektive, die, mit einer antirassistischen Haltung verknüpft, das Hybride, Uneindeutige, Heterogene einer Gesellschaft betonte. Jegliche Verbindungen zu Nationalstaaten sollten dabei aufgelöst werden.
Kanak Attak war eine Antwort auf die Baseballschlägerjahre der 1990er mit vielen rassistisch und rechtsextremistisch motivierten Angriffen und Morden. Viele Kinder von ehemaligen Gastarbeiter*innen schlossen sich hier zusammen, um sich gegen die Idee zu wehren, dass sie sich integrieren müssten und setzten sich für eine Anerkennung als Teil der deutschen Gesellschaft ein.
Kanak Attak setzte dabei vor allem künstlerische Aktionen um, die Geschichtsschreibung wie bspw. zum „wilden Streik“ bei Ford 1973 von türkischen Arbeitnehmer*innen oder ähnlicher Proteste betreiben sollten und das politische Engagement von Migrant*innen hervorhoben. Daneben wurde mit einem Manifest und anderen theoretischen Arbeiten politische Arbeit geleistet.
Auch, wenn das Netzwerk sich um das Jahr 2002 bereits wieder auflöste, hatte es einen starken Einfluss auf die Entwicklung einer postmigrantischen Haltung und prägt bis heute migrantische Bewegungen in Deutschland.
Fotocredit oben rechts: Wolfsburg, Gastarbeiterfamilie in ihrer Wohnung, Bundesarchiv, B 145 Bild-F040747-0009 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0
Fotocredit unten rechts: Gastarbeiter beim Motorenbau bei VW. Bundesarchiv, B 145 Bild-F040736-0016 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0
Quellen: Leonie Karwath/Eric Angermann: „Migration bedeutet Klassenkampf“. Kanak Attak als Projekt der Geschichtsschreibung. Interview mit Massimo Perinelli. In: Arbeit Bewegung Geschichte. Zeitschrift für historische Studien 2021/II, S. 131-142.