Jahrestag der Abschaffung von § 175

#LGBTQIAGeschichte

Haben Sie schon einmal vom Paragraph 175 gehört? Dieser Paragraph stellte in Deutschland vom 1. Januar 1872 bis zum 11. Juni 1994 sexuelle Handlungen zwischen männlichen Personen unter Strafe.

Über 140.000 Männer wurden nach § 175 verurteilt, meistens zu Gefängnisstrafen.

Schon in den 1920er Jahren wurde gegen den Paragraphen demonstriert. Der Schriftsteller und Aktivist der ersten Schwulenbewegung Kurt Hiller nannte ihn „Die Schmach des Jahrhunderts“. Doch der Paragraph hatte weiter Bestand. Im Nationalsozialismus wurde die Höchststrafe noch einmal erhöht: von sechs Monaten auf fünf Jahre Gefängnis.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der § 175 in der Bundesrepublik erhalten. Erst am 1. September 1969 kam es zu einer ersten Reform, die das Verbot teilweise aufhob. Nun mussten die meisten schwulen Männer keine Angst mehr vor strafrechtlicher Verfolgung haben.

Das Verbot galt allerdings nur, wenn beide über 21 oder beide unter 18 Jahre waren – eine sehr viel höhere Altersgrenze, als bei heterosexuellen Personen. Auch machten sich Personen, die beide zwischen 18 und 21 Jahre alt waren, immer noch strafbar. Erst 1973 wurde § 175 erneut reformiert: das Schutzalter wurde auf 18 Jahre verringert – es blieb damit immer noch höher als bei heterosexuellen Personen, bei denen es 14 Jahre war und ist.

1994 wurde § 175 dann endlich komplett gestrichen. Auf eine Rehabilitierung und Entschädigung mussten die verurteilten schwulen Männer jedoch bis zum Jahr 2017 warten. Rund 5000 Opfer lebten 2017 noch. Sie bekamen 3000 € pro Urteil und 1500 € Euro pro angefangenes Jahr im Gefängnis. Dies ist verhältnismäßig wenig, da andere zu Unrecht Inhaftierte über 9100 € für ein volles Jahr im Gefängnis bekommen.

Wir feiern heute, dass § 175 seit 28 Jahren nicht mehr existiert und gedenken gleichzeitig der vielen zu Unrecht verurteilten Männer.

In 80 Ländern der Welt ist Homosexualität immer noch strafbar, in 12 davon werden homosexuelle Handlungen sogar mit der Todesstrafe geahndet.

Das Engagement für LGBTQIA+ Rechte weltweit darf deshalb nie aufhören.

Jahrestag der Abschaffung von § 175

Meldung vom 20. Juni 2022